Julia wird nun als erste schwerbehinderte Schülerin in das traditionsreiche Lüneburger Johanneum eingeschult. Die Voraussetzungen scheinen gut: Das Schulgebäude ist noch neu, es gibt einen Fahrstuhl. Auf Weisung der Amtsärztin bekommt sie auch hier eine Schreibhilfe zugebilligt. Außerdem erhält sie Zeitzugaben bei Klassenarbeiten. Bis zur zehnten Klasse ist sie eine durchschnittliche Schülerin, wird allerdings im Unterricht immer stiller. Da sie zu diesem Zeitpunkt zu Hause nichts erzählt, erfahren wir erst viel später, wie sehr sie darunter leidet, beim lauten Lesen – sie ist dabei ja langsamer – ständig ausgelacht zu werden. In den Pausen verkriecht sie sich in der Cafeteria, da ihr Schüler gedroht haben, sie aus dem Rollstuhl zu kippen. Die Lehrer bekommen dies alles mit, unternehmen aber nichts. „ Ihr müsst lernen, Euch selbst zu behaupten“, sagt die Klassenlehrerin. Sie meint vor allem Julia. Ihre Klassenlehrerin ist es auch, die Julia aus Gründen der Gleichbehandlung zum Mülldienst einteilt. Konkret bedeutet dies, dass Julia eine ganze Woche lang vom Rollstuhl aus in den Pausen den Müll ihrer gesunden Mitschüler aufsammelt. An Essen oder Trinken ist da nicht mehr zu denken. Julia frisst nach wie vor alles in sich hinein und gibt sich selbst bzw. ihrer Behinderung die Schuld.
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